Multiple Sklerose

Gesicht einer Frau, die sich gegen eine spiegelnde Oberfläche lehnt.

Die MS (Multiple Sklerose) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS: Gehirn und Rückenmark), bei der es zu einer Schädigung von Markscheiden kommt. Die Markscheiden stellen die Hüllsubstanz der Nerven dar und sind vor allem für deren elektrische Leitfähigkeit verantwortlich.

Die Multiple Sklerose (MS), auch Encephalomyelitis disseminata genannt, ist eine Autoimmunerkrankung des Zentralen Nervensystems (ZNS), bei der fehlgeleitete Immunzellen die Ummantelung (Myelin-, Markscheiden) der Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark angreifen.

Die Ursachen der MS sind bislang noch nicht eindeutig geklärt. Man geht davon aus, dass körpereigene Abwehrzellen Lymphozyten= Immunzellen, die normalerweise gegen „äußere Feinde“ wie zum Beispiel Bakterien oder Viren gerichtet sind, in das Zentrale Nervensystem eindringen, dort  die Myelinscheiden der Nervenzellen angreifen und so herdförmig Entzündungsreaktionen verursachen. Es handelt sich bei der MS also eigentlich um eine Fehlsteuerung des Immunsystems.

symptom-icon-1 KopieBei den Betroffenen treten erste Symptome oft zwischen dem 20. und dem 40. Lebensjahr auf. Die Erkrankung betrifft in Österreich etwa 150 Menschen pro 100.000 Einwohner, Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer.

In Abhängigkeit vom Ort des entzündlichen Geschehens im Zentralnervensystem können (meist „schubartig“) unterschiedliche Ausfallserscheinungen auftreten, welche sich relativ plötzlich innerhalb weniger Stunde bis Tage oder schleichend über mehrere Monate entwickeln.

Die Symptome bestehen im Regelfall Tage bis Wochen bevor es wieder zu einer Rückbildung kommt. Mögliche neurologisch Symptome sind: einseitige Sehstörungen, Doppelbilder, anhaltendes Taubheitsgefühle in den Extremitäten, Koordinationsstörungen oder Lähmungen.

imagesUntersuchungDie Diagnose stützt sich auf der umfassenden Erhebung der Krankengeschichte, der klinisch neurologischen Untersuchung  und auf die entsprechenden bildgebenden (Magnetresonanz) bzw. laborchemischen (Liquorflüssigkeit) Hilfsbefunde. Etablierte Diagnosalgorithmen garantieren höchstmögliche Diagnosesicherheit (McDonald-Kriterien)

Dank moderner bildgebender Untersuchungsverfahren (Magnetresonanztomographie des Nervensystems)  kann bei Verdacht die Diagnose oft bereits nach dem ersten klinischen Ereignis -Schub genannt- gestellt werden.

Eine laborchemische Analyse der Liquorflüssigkeit, welche mittels „Kreuzstich“ (Lumbalpunktion) gewonnen wird, erhöht die Diagnosesicherheit, was besonders bei unklaren Fällen vor Einleitung einer Therapie wünschenswert sein kann. Früher oft beobachtete Beschwerden nach der Punktion wie beispielsweise länger anhaltender lageabhängiger Kopfschmerz nach dem Eingriff treten bei „atraumatischer“ Technik  mit speziellen Kanülen nur noch sehr selten auf.

Im Regelfall handelt es sich um eine einmalige Untersuchung!

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Die Diagnose Multiple Sklerose muss erst einmal verarbeitet werden. Natürlich möchte jeder Betroffene wissen, was auf ihn zukommen wird. Verständlicherweise, doch genau hier liegt eine der vielen Schwierigkeiten im Umgang mit dieser Erkrankung.

Der individuelle Verlauf kann sehr unterschiedlich sein, prognostisch aussagekräftige Hilfsbefunde (Laboruntersuchungen) stehen nicht zur Verfügung. Es ist daher selbst für erfahrene Spezialisten im Einzelfall kaum möglich, eine exakte Prognose über die weitere Entwicklung der Krankheit v.a schon zum Zeitpunkt der Diagnosestellung zu stellen. Ein Umstand, der oft Belastung für die Betroffenen und deren Angehörigen darstellt.

Bei vielen Patienten verläuft die Erkrankung jedoch gutartig. Das bedeutet: die Entzündungen gehen weitestgehend zurück und die Symptome klingen vollständig ab oder bleiben nur in geringer Ausprägung bestehen. Um einen gutartigen Verlauf handelt es sich, wenn insgesamt nur ein oder wenige Schübe auftreten, die keine dauerhaften Beschwerden hinterlassen. So sind -auch 15 Jahre nach der Erstdiagnose- viele Betroffene noch frei von nennenswerten Behinderungen.

Weit verbreitet sind Ängste und Vorstellungen, dass Multiple Sklerose zwangsläufig ein Leben im Rollstuhl bedeutet: 4 von 5 aller Patienten können auch zehn Jahre nach der Erstdiagnose noch laufen.

Vielen Betroffenen merkt man ihre Krankheit gar nicht oder nur wenig an. Nahezu die Hälfte aller Patienten kann auf lange Sicht mit einer günstigen Entwicklung rechnen, die ohne schwerwiegende Beeinträchtigungen verläuft. Durch die zu Verfügung stehenden modernen Medikamente ist darüberhinaus eine deutliche Verbesserung der Prognose zu erwarten.

Sehr viel seltener sieht man ungünstigere Krankheitsentwicklungen mit rasch zunehmender und schwerwiegender Behinderung. Es gibt bislang keine Erklärung, warum einige Patienten über einen langen Zeitraum relativ beschwerdefrei bleiben und andere innerhalb weniger Jahre starke Einschränkungen erfahren.

Letztendlich ist anzuführen, dass die Erkrankung kaum Einfluss auf die Lebenserwartung hat. Die meisten MS-Patienten sterben an denselben „natürlichen“ Todesursachen wie der Rest der Bevölkerung.

 

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http://www.dmsg.de/ms-behandeln/

Multiple Sklerose ist bis heute nicht heilbar, es gibt es doch eine Vielfalt von Behandlungen, die ein Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen können behandelbar. Angestrebt wird eine „Freiheit von Krankheitsaktivität“ (sowohl klinisch als auch in der MR-Untersuchung)!

In der Praxis unterscheidet man zwischen Schubtherapie, einer den Krankheitsverlauf beeinflussenden Basis- oder Intervalltherapie sowie einer symptomatischen Behandlung bestehender Beschwerden.

Hochdosierte Kortisoninfusionen über einige Tage werden seit vielen Jahren als symptomatische Therapie während von Schüben eingesetzt. Kortison wirkt vorwiegend entzündungshemmend. Nicht jeder Schub muss zwangsläufig mit Kortison behandelt werden, besonders leichtere Schübe können spontan abklingen und ausheilen. Patienten sollten sich in jedem Fall unverzüglich vom behandelnden Arzt gründlich über die Notwendigkeit einer Therapie mit Kortison informieren lassen!

Zur Beeinflussung des Krankheitsverlaufes („Basistherapie“) stehen langjährig etablierte Medikamente (z.B. Beta-Interferone, Glatirameracetat (Copaxone) sowie (eingeschränkt)Immunglobuline zur Verfügung, welche  regulierend (Immunmodulation) in das Immunsystem eingreifen. Es handelt sich hierbei um eine Dauertherapie, die Medikamente werden, nach entsprechender Einschulung, mehrmals wöchentlich vom Patienten selbst subkutan (unter die Haut) injiziert. Substanzen zur oralen Verabreichung stehen ebenfalls bereits zur Verfügung (Fumarsäure, Teriflunomid).

Neuere hochwirksame  Medikamente wie Natalizumab (Tysabri: Infusion 1x/Monat) oder Fingolimod (Gilenya/Tablette 1xtgl.) kommen bei sehr aktiven Krankheitsverläufen unter strenger Indikationsstellung zum Einsatz („Eskalationstherapie“). Eine Risiko-Nutzen Abwägung muß individuell erfolgen zumal unter Therapie mit Natalizumab selten eine schwere virale Hirnentzündung (progressive multifokale Leucencephalopathie oder kurz PML) auftreten kann (diesbezüglich wird  die Bestimmung des sog. „JC-Virusindex“ mittels Blutabnahme zur individuellen Risikostratefizierung genutzt)

Ein neu er Monoklonaler Antikörper-Ocrelizumab- ist nun auch im niedergelassenen Bereich verabreichter (z.B. in meiner Ordination), es handelt sich dabei um eine sogenannte „B-Zelltherapie“ mit hoher wirksamkeit bei aktiver MS und auch moderater Wirkung bei primär chronisch progredienter MS ( für PPMS übernimmt die Kasse derzeit noch nicht die Kosten).

Mit Gladribin steht eine weitere oral Therapieoption für aktive MS-Patienten zu Verfügung

Stoppuhr-Icon KopieDie sogenannte Frühphase der MS dauert je nach Patient drei bis 15 Jahre. Im unbehandelten Krankheitsverlauf gibt es einen “point of no return” bei dem die Frühphase endet: Übergang in die sogenannte  schleichende Verlaufsform der Multiplen Sklerose mit langsam zunehmenden Beeinträchtigungen  (zumeist der Gehfähigkeit). Die Verlängerung der Frühphase ist ein überzeugendes Argument für einen frühen Beginn einer medikamentösen Therapie: »Patienten mit Multipler Sklerose sollte man frühzeitig mit der Basistherapie beginnen, um die Frühphase der Erkrankung zu verlängern. Angestrebt wird eine “Freiheit von Krankheitsaktivität” (sowohl klinisch als auch in der MR-Untersuchung)! Verschlechtert sich der Zustand, sollte die Therapie rechtzeitig intensiviert (“eskaliert”) werden.

Immer wieder hört und liest man von besonderen Ernährungsempfehlungen und sonderbaren Diäten, die eine deutlichen Linderung oder sogar Heilung der Multiplen Sklerose versprechen. Leider gibt es nach heutigem wissenschaftlichem Stand keine Diät, die dieses Versprechen hält. Ziel einer Ernährungstherapie bei Patienten mit Multipler Sklerose wie bei jedem anderen Menschen auch, ist die Vermeidung einer Mangelernährung, welche durch drastische MS-Diäten schnell entstehen können.

Betreffend Ernährung bei Multipler Sklerose stehen in erster Linie mehrfach ungesättigte Fettsäuren, wie Omega 3 und Omega 6, die in Pflanzenölen vorkommen, im Fokus des Interesses. Daten zum Nutzen von Omega 3 Fettsäure liegen vor. Ein positiver Trend war hinsichtlich Schubrate und Fortschreiten der Behinderung zu verzeichnen, jedoch sind dies Studienergebnisse nicht aussagekräftig genug und bedürfen weiterer Bestätigung.

Das für den Knochenstoffwechsel wichtige Vitamin D kann die Aktivität des Immunsystems beeinflussen und ist als Risikofaktor für MS schon lange im Gespräch, wenngleich eindeutige Beweise für einen ursächlichen Zusammenhang bislang fehlen. Ein Zusammenhang zwischen der Sonneneinstrahlung und dem Risiko, an MS zu erkranken, wurde bisher lediglich aus epidemiologischen Daten angenommen. Man weiß, dass die Erkrankung weltweit umso häufiger auftritt, je weiter entfernt eine Bevölkerungsgruppe vom Äquator lebt. Möglicherweise könnte ein Zusammenhang zwischen Vitamin D und dem MS-Risiko dieses Phänomen erklären.

Der Großteil des im Körper befindlichen Vitamin D entsteht durch Eigensynthese nach Sonneneinstrahlung- und dieses in beträchtlich größerem Maße als über die Nahrungsaufnahme! Eigentlich brauchen Menschen die nicht an die Sonne kommen nur eine künstliche Zufuhr. Eine übermäßige Aufnahme von Vitamin D durch Vitaminpräparate kann dagegen ernsthafte Gesundheitsschäden hervorrufen! Weitere wissenschaftliche Studien sind notwendig, um zu klären, ob und inwieweit eine zusätzliche Aufnahme des Vitamins in Form von Vitaminpräparaten das MS-Risiko beeinflussen kann.

Haben schulmedizinische Verfahren keinen ausreichenden Erfolg gebracht, ist es verständlich, dass Patienten anderen Therapiemethoden Vertrauen schenken. Bis zu zwei Drittel aller MS-Patienten greift  bei der Behandlung von MS und ihrer Symptome im Verlauf der Erkrankung auch auf alternative und komplementäre Medizin zurück. Die Palette der Methoden ist groß, doch was bringen sie?

Nutzen und Risiko komplementärmedizinischer Ansätze sollten jedenfalls mit den Betroffenen diskutiert werden da Nebenwirkungen von nicht ausreichend geprüften Substanzen unter Umständen ein Risiko darstellen. Wirkungslose und manchmal sogar gefährliche Ansätze sollten als solche dargestellt werden. Vor den Versprechungen selbsternannter Experten, vor unkritischen Medienberichten und mitunter sehr kostspieligen Verfahren muss eindringlich gewarnt werden

Wie immer gilt, dass die gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient ein ungemein wichtiger, wenn nicht sogar entscheidender Faktor ist. In einer gemeinsamen Diskussion sollten aus den verschiedenen verfügbaren Behandlungsmethoden die für den jeweiligen Patienten am besten geeigneten Therapien ausgewählt werden.