Gedächtnisstörungen

Ein älterer Herr klebt Post-its an ein Fenster und sieht dabei konzentriert und nachdenklich aus.

Das Gedächtnis ist eine Aktivität des Gehirns, das sich im Laufe des Lebens verändert wie andere Organe auch, doch das beeinträchtigt im Regelfall die geistige Leistungsfähigkeit sehr lange kaum. Die Gedächtnisspanne wird mit zunehmendem Lebensalter langsam kleiner. Das beginnt aber nicht mit 50, sondern am Ende der Pubertät. Gedächtnisspanne beschreibt, wie viele Einzelinformationen jemand gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis vorhalten kann – Zahlen, Wörter, Ereignisse, Orte, aber auch komplexere Bilder oder umfangreichere Ereignisse in Geschichten. Gegen Ende der Pubertät sind das im Mittel sieben, mit 30 schon weniger, mit 60 immer noch etwas mehr als fünf.

Gedächtnisprobleme können viele Ursachen haben, einige davon sind banal – und viele behebbar. So wirken sich beispielsweise Schlafmangel und Stress sowie übermäßiger Alkoholkonsum negativ auf das Denk- und Erinnerungsvermögen aus. Eine Reihe von Medikamente wie zum Beispiel Beruhigungs- und Schlafmittel können das Gedächtnis und das Denkvermögen beeinträchtigen. Auch im Rahmen von internistischen Krankheiten (z.B. Schilddrüsenfunktionsstörungen) und bei psychischen Erkrankungen -vorzugsweise bei Depressionen- können temporäre, also zeitlich begrenzte Gedächtnisstörungen auftreten.

images1_bearbeitet-1Mediziner sprechen nur dann von einer Demenz, wenn neben der Gedächtnisschwäche noch mindestens eine weitere Gehirnfunktion, wie Orientierung oder Sprache, betroffen ist und die Patienten in ihrer Alltagsaktivität seit mindestens 6 Monaten massiv eingeschränkt sind. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste zu einer Demenz führende Gehirnerkrankung, gefolgt von der vaskulären (gefäßbedingten) Demenz, bei der die Gehirnleistungsstörung aufgrund von Schlaganfällen oder anderen Gefäßerkrankungen, verursacht wurde.

symptom-icon-1 KopieDie Symptomatik der Demenzen ist sehr vielgestaltig und je nach Demenztyp verschieden. Obligates (d.h. notwendiges) Symptom aller Demenzen, allerdings nicht immer schon zu Beginn sichtbar, ist die Gedächtnisstörung.

Ohne Merkfähigkeitsstörung bzw. Störung des Gedächtnis keine Demenz! Aber es gilt umgekehrt: nicht jede Gedächtnisstörung ist Ausdruck eines dementiellen Prozesses!

Als erstes Symptom einer Demenz ist meist eine Verschlechterung des Kurzzeitgedächtnisses zu beobachten. Konzentrationsfähigkeit und Denkleistung lassen nach, es können Sprachstörungen auftreten und die Müdigkeit nimmt zu. In der Anfangsphase zeigen sich häufig Symptome einer Depression, vor allem, wenn der Erkrankte die Abbauerscheinungen an sich bemerkt. Viele bemerken die Veränderungen an sich selbst allerdings nicht, was typisch für die meisten Demenzformen ist Im Krankheitsverlauf verstärken sich die Symptome des Frühstadiums. Betroffene werden immer vergesslicher, können sich oft nicht mehr gut orientieren und haben Schwierigkeiten mit alltäglichen Handlungen.

diagnostic-iconZunächst sind eine ausführliche Erhebung der Krankengeschichte des Betroffenen sowie eine körperliche Untersuchung erforderlich. Die Befragung von Angehörigen ist für die Diagnosestellung der Demenz wichtig, weil die meisten Betroffenen die Symptome zum Teil selbst nicht wahrnehmen oder aus Scham lieber verschweigen. Weiteres müssen internistische und psychische Erkrankungen als Ursachen einer Demenz ausgeschlossen werden.

Depressive Zustandsbildern  können mit Gedächtnisstörungen einhergehen, die Abgrenzung von einer organisch bedingten Hirnleistungsstörung kann manchmal sehr schwierig sein. Selbst Testuntersuchungen können oft nicht sicher klären, ob ein “dementielles Syndrom” tatsächlich ein dementielles Syndrom ist oder Ausdruck einer schweren Depression. Erschwerend kommt hier hinzu, dass auch echte “dementielle” Prozesse oft von Depressionen begleitet werden! Häufig kann also erst die Verlaufsbeobachtung und probatorische Therapieversuche mit einem Antidepressivum Klarheit bringen!

Als neuropsychologische Testverfahren  zur Demenzdiagnostik wird in erster Linie der sogenannte Mini-Mental-Status-Test (MMST) verwendet. Mit diesem klinisch einfach durchzuführenden Test lässt sich auch der Schweregrad von Vergesslichkeit und anderen Hirnfunktionsstörungen im Krankheitsverlauf bei bereits diagnostizierter Demenz und damit die Wirksamkeit einer laufenden Behandlung beurteilen.

MRI-PET scan_FCIm Verdachtsfall machen bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomograpie (MRT) Veränderungen der Gehirnstruktur sichtbar. Bestimmte nuklearmedizinische Untersuchungsmethoden (SPECT) können Funktionseinbußen in bestimmten Hirnregionen darstellen. Sie sind jedoch kein Bestandteil der Standard-Diagnostik, können aber zur Diagnosefindung in völlig unklaren Fällen eingesetzt werden.

Blutuntersuchungen können behandelbare Stoffwechselstörungen aufdecken, eine spezielle Laboruntersuchung für die Diagnose einer Alzheimer Erkrankung steht derzeit jedoch nicht zu Verfügung.

Besteht der Verdacht, dass eine chronische Entzündung des Zentralnervensystems vorliegt, wird über eine Lumbalpunktion Nervenwasser (Liquor) entnommen und im Labor auf Entzündungszeichen untersucht. Bei der Alzheimer und der sehr seltenen Creutzfeld-Jakob Demenz lassen sich im Liquor darüber hinaus ganz spezielle Eiweiße finden, die einen deutlichen Hinweis auf die zugrunde liegende Erkrankung bringen können.

Durch Ultraschalldiagnostik der hirnversorgenden Blutgefäße lassen sich Fett- und Kalkablagerungen (Arteriosklerose) in den Gefäßen feststellen, dies ist insbesondere wichtig, wenn sich im Befund der Magnetresonanztomographie Hinweise für eine gefäßbedingte Hirnveränderung finden.

Die Untersuchung der Gehirnströme im Elektro-Enzephalogramm (EEG) kann zwar nur in Ausnahmefällen diagnostisch weiterführende Hinweise auf die Ursache von Gedächtnisstörungen oder einer Demenz geben.

brain-icon_bearbeitet-1Im Gehirn gibt es eine Reihe solcher Botenstoffe (Neurotransmitter), die für die unterschiedlichsten Aufgaben verantwortlich sind. Bei der Alzheimer-Erkrankung sind vor allem jene Nervenzellen betroffen, die für die Produktion des Botenstoffs “Acetylcholin” zuständig sind, einer der wichtigsten Überträgersubstanzen in unserem zentralen Nervensystem.

Acetylcholin ist für das Erinnern, das Denken, das Lernen und das räumliche Orientieren verantwortlich. Aus noch nicht bekannten Gründen lagert sich außerhalb der Acetylcholin-produzierenden Nervenzellen ein fadenförmiges Eiweiß ab, das Amyloid oder Plaque genannt wird.

Auch innerhalb der Zellen kommt es zu Veränderungen, die den regulären Stofftransport behindern. Folge dieser Veränderungen ist, dass immer mehr der Acetylcholin-produzierenden Nervenzellen absterben. Im Gehirn entsteht dadurch ein Mangel an dem Botenstoff Acetylcholin, wodurch das geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt wird. Je größer das Ausmaß dieses Mangels ist wird, umso stärker macht sich die Demenz bemerkbar.

519283813Medikamente zur Behandlung von Symptomen einer Demenz werden im Regelfall als Teil eines umfassenden Therapiekonzeptes  gemeinsam mit einem Hirnleistungstraining. Je nach zugrunde liegender Ursache der Demenz werden unterschiedliche Wirkstoffgruppen verwendet. Ziel ist es, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen oder vorübergehend zum Stillstand zu bringen.

Die Substanzen wirken individuell sehr unterschiedlich. Ein Behandlungsversuch lohnt sich auf jeden Fall, auch wenn er vielleicht nicht zu deutlichen Veränderungen führt. Da eine Demenz laufend fortschreitet, ist es bereits ein Behandlungserfolg, wenn sie sich der Zustand des Betroffenen nicht verschlechtert.

Die vielversprechendsten Medikamente in frühen und mittleren Stadien von Alzheimer-Krankheit, vaskulärer Demenz und Lewy-Körperchen-Demenz sind Acetylcholinesterase-Hemmer, die den Signalaustausch zwischen den Nervenzellen verbessern. Sie erhöhen die Verfügbarkeit des Signalstoffs Acetylcholin, indem sie das Enzym Acetylcholinesterase blockieren, welches im normalen Gehirnstoffwechsel das Acetylcholin abbaut. In wissenschaftlichen Studien konnte nachgewiesen wiesen  werden, dass sich unter Behandlung mit Acetylcholinesterasehemmern  das Voranschreiten der Erkrankung um durchschnittlich ein Jahr verzögern lässt.

Bei einer mittelschweren bis schweren Alzheimer-Demenz zeigen NMDA-Antagonisten wie Memantine gute Erfolge. Sie lassen sich auch mit Acetylcholinesterase-Hemmern kombinieren und verhindern die Nervenüberreizung durch den Botenstoff Glutamat. Ein Zuviel dieses Botenstoffes schädigt die Nervenzellen und lässt sie zugrunde gehen. Memantine werden jedoch nicht bei vaskulären Demenzen oder Lewy-Körperchen-Demenzen verwendet.

Es gibt außerdem eine Reihe von Medikamenten, welche sich positiv auf die Gehirnleistung auswirken sollen. Dazu sollen die Extrakte des Ginkgo-Baums gehören. Angeblich wirken sie durchblutungsfördernd und sollen so das Gehirn besser mit Sauerstoff und Glucose (Zucker) versorgen. Kalzium-Antagonisten sollen den gestörten Kalzium-Stoffwechsel der Nervenzellen normalisieren und die Weiterleitung von Informationen verbessern. Die Wirkstoffe werden aber allesamt nicht von den Fachgesellschaften empfohlen, weil es keine Hinweise auf ihre Wirksamkeit gibt.

Manchmal sind zusätzlich Medikamente gegen Unruhe und Schlafstörungen, oder Depressionen notwendig, um die Begleitsymptome der Demenz zu bekämpfen. Allerdings muss man die Wirkung dieser Medikamente genau beobachten. Bei manchen Demenzformen können Medikamente gegen innere Unruhe diese sogar verstärken oder schwere Nebenwirkungen hervorrufen.

Bei jeder medikamentösen Behandlung einer Demenz sollten regelmäßige Termine zur Nachuntersuchung vereinbart werden. So kann der behandelnden Facharzt den Krankheitsverlauf  unter der Behandlung beurteilen und gegebenenfalls die Therapie an die veränderte Situation anzupassen.

unnamedDie Heilung einer Demenz ist meist nicht möglich. Mithilfe einer Kombination aus Medikamenten und speziellem Hirnleistungstraining lässt sich jedoch oft das Fortschreiten der Erkrankung bremsen und die Lebensqualität der Erkrankten verbessern. Die Ausnahme sind Demenzformen, die Folgen einer behandelbaren Grunderkrankung sind.

Durch eine gesunde Lebensweise mit regelmäßiger Bewegung und einer ausgewogenen Ernährung kann man einigen Demenzformen, wie der vaskulären Demenz oder der alkoholbedingten Demenz vorbeugen. Dagegen lässt sich eine Alzheimer- Demenz derzeit noch nicht verhindern. Forscher arbeiten daran, Medikamente zur Immunisierung gegen die krankmachenden Eiweiße zu entwickeln. Sie sollen die Reaktion des Immunsystems gegenüber den Eiweißen verändern und diese so für den Körper unschädlich machen. Der Einsatz dieser Medikamente in der Alzheimer-Therapie wird wahrscheinlich aber noch Jahre dauern.

Ein “Brain(Gehirn)-Check ist immer sinnvoll wenn (beginnende/leichte) Gedächtnisprobleme oder (länger dauernde) unklare Konzentrationsschwierigkeiten vorliegen um etwaige behandelbare Ursachen nicht zu übersehen! Unter Einbeziehung von modernsten apparativen Diagnoseverfahren frühzeitig erkannt und behandelt werden. Folgende Untersuchungsmethoden können erforderlich sein:

  • Messung der Hirnströme: Elektroencephalografie (EEG)
  • Untersuchung der Gehirndurchblutung: Ultraschall der Hirngefäße
  • Bildgebende Darstellung des Gehirns: Magnet-Resonanz-Tomografie des Schädels
  • Stoffwechselstörungen des Gehirns: Spezielle Labordiagnostik
  • Spezielle Bildgebung/Funktionsdiagnostik: Positronen-Emissions-Tomografie in entsprechenden Einrichtungen
  • Bei Verdacht auf Entzündungen des Nervensystems: Liquorpunktion (Nervenwasseruntersuchung)

Obligatorisch erfolgt abschließend eine ausführliche  Erörterung der Ergebnisse und die Planung des weiteren Vorgehens.

Der Gehirn Check kann ambulant oder auf Wunsch auch stationär im Evangelischen Krankenhaus durchgeführt werden (sämtlich Untersuchungsmethoden vorort).